Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 19.03.2024 – 205 StRR 8/24

    Operiert ein Augenarzt nach einem Schlaganfall trotz bestehender körperlicher Einschränkungen und ohne Wissen der Patienten weiter, steht er mit einem Bein im Gefängnis. Schädigt er Patienten bei einem Katarakt-Eingriff, ohne sie über seine motorischen Beeinträchtigungen aufzuklären, kann nicht nur eine vorsätzliche, sondern bei Verwendung eines Skalpells auch eine gefährliche Körperverletzung mit einem „gefährlichen Werkzeug“ vorliegen.

    In dem Fall ging es um einen Augenarzt, der in Kempten eine Augenarztpraxis betrieb. Zwischen April 2011 und Juni 2015 hatte er bei neun Patienten zwölf ambulante Kataraktoperationen durchgeführt. Bei der Patientenaufklärung verschwieg der Arzt, dass er 2009 einen Schlaganfall erlitten hatte und seitdem motorisch eingeschränkt war. So bestand etwa eine Tiefensensibilitätsstörung an seiner rechten Hand.

    Zwei Patienten erblindeten auf je einem Auge
    Die Patienten erlitten durch die Eingriffe Schäden an ihren Augen. Zwei Patientinnen erblindeten auf je einem Auge, dafür machte die Staatsanwaltschaft den Augenarzt verantwortlich. Er hätte die Eingriffe aufgrund seiner motorischen Einschränkungen nicht durchführen dürfen.
    Das LG Kempten verurteilte den Arzt 2020 wegen fahrlässiger Körperverletzung in neun Fällen zu einer neunmonatigen Bewährungsstrafe. Das Bayerische Oberste Landgericht hob diese Entscheidung mit Urteil vom 29.06.2021 – 205 StRR 141/21 auf und entschied, dass der Augenarzt vorsätzlich gehandelt habe. Er habe von seinen gesundheitlichen Einschränkungen gewusst und die Patienten nicht darüber aufgeklärt. Daraufhin verurteilte das LG Kempten den Arzt am 03.07.2023 – 4 Ns 111 Js 10508/14 diesmal wegen vorsätzlicher Körperverletzung in elf Fällen und schwerer Körperverletzung in einem Fall zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten.

    Urteil der Vorinstanz abermals aufgehoben
    Doch auch diese Entscheidung wurde durch das Bayerische Oberste Landesgericht kassiert. Es sei von einer „gefährlichen Körperverletzung“ auszugehen, die nach § 224 StGB mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren geahndet werden kann. Danach liegt eine gefährliche Körperverletzung unter anderem dann vor, wenn sie mit einem „gefährlichen Werkzeug“ begangen wird.
    Als gefährliches Werkzeug sei hier das bei den Operationen verwendete Skalpell anzusehen. Dieses werde zwar grundsätzlich nach den Regeln der ärztlichen Kunst eingesetzt. Der Arzt müsse aber in der Lage sein, es ordnungsgemäß und fachgerecht zu gebrauchen. Sei dies wegen körperlicher Einschränkungen nicht möglich, stelle der Skalpelleinsatz eine „gefährliche Körperverletzung“ dar. Das Landgericht Kempten muss nunmehr ein höheres Strafmaß für den Angeklagten prüfen.

    Kontakt: Jörg Hohmann

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