Die zentrale Frage bei der Podiumsdiskussion am ersten Tag des Fachärztetages des Spitzenverbands Fachärzte (SpiFa) am 16.3.2023 in Berlin lautete: ‚In welchem System wollen wir Patientin oder Patient sein?‘ Hierüber diskutierten Prof. Wolfram Herrmann vom Instituts für Allgemeinmedizin der Charité Berlin, Dr. Sandra Zimmermann vom WifOR Institute, SpiFa-Chef Dr. Dirk Heinrich, Bundesärztekammerpräsident Dr. Klaus Reinhardt und Dr. Susanne Wagenmann von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).

    Prof. Hermann erklärte, die wohnortnahe Versorgung brauche eine besser koordinierte Zusammenarbeit zwischen hausärztlicher und fachärztlicher Versorgung. Hierbei könne Deutschland von anderen Ländern lernen. In Singapur etwa wähle sich jeder Patient einen Hausarzt wohnortnah und lege sich auf ihn fest, was z. B. Vorteile bei Pandemien oder Impfkampagnen habe. „Die feste Zuordnung heißt aber auch, dass wir eine klare Aufgabenteilung zwischen Hausärzten und Spezialist*innen brauchen – damit Sie sich auf die wirklich komplexen Fälle konzentrieren können und keine Verdünnerscheine mehr brauchen“, erklärte der Experte. Für eine bessere Kommunikation zwischen den verschiedenen Behandelnden in Form von Fallkonferenzen nannte Prof. Hermann Norwegen als Positivbeispiel. Dafür notwendig sei – unpopulär, aber notwendig – allerdings eine Überweisungspflicht. „Nicht wie bisher mit einem einfachen Zettel, sondern mit einer genaueren Aufgabenstellung und Einstufung der Dringlichkeit, damit die Spezialist*innen dann priorisieren können“, sagte er.

    BÄK-Präsident Dr. Reinhardt hingegen konnte diesen Vorschlägen, die auf eine Einschränkung der freien Arztwahl hinauslaufen, offensichtlich nicht viel abgewinnen: „Auch in zehn oder 20 Jahren wäre mir als Patient wichtig, dass ich eine Wahl habe und meinen Arzt selbst aussuchen kann. Die Individualität des Arzt-Patienten-Verhältnisses ist ein Kernmerkmal unseres Gesundheitswesens.“ Das Gefühl als Individuum ernstgenommen zu werden, wirke sich auch positiv auf die Adhärenz aus, meinte Dr. Reinhardt. Der BÄK-Präsident möchte lieber Ressourcen freisetzen, indem die Zahl der Arzt-Patienten-Kontakte reduziert wird, die oftmals vor allem deshalb statfinden, weil das System es so vorgibt. Schließlich müsste ein Bluthochdruckpatient nicht zwingend einmal pro Quartal kommen, Sprechzeit beanspruchen und Rezepte abholen, wenn er mit seiner Erkrankung gut zurechtkommt. Dr. Reinhardt plädierte dafür, die Ausgestaltung der Behandlung und auch die Verteilung der Ressourcen stärker in ärztliche Verantwortung zu legen: „Dann gäbe es auch wieder mehr Arzttermine!“ Für ihn bietet daher die Schweiz eine nachahmenswerte Blaupause: Dort seien die Gesundheitsausgaben pro Kopf nur minimal höher als in Deutschland, aber es gebe deutlich weniger Krebsneuerkrankungen und auch ein niedrigere Rate bei den Zivilisationskrankheiten, „und zwar, weil man pragmatischer an die Dinge herangeht, Patienten als mündig ansieht und ihnen Eigenverantwortung zutraut.“

    Für SpiFa-Chef Dr. Heinrich wiederum ist die Abschottung der Sektoren ein zentrales Problem, das unbedingt angegangen werden sollte. „Wir haben in der Vergangenheit leider starre Grenzen eingezogen und zu wenig zusammengearbeitet.“ Dass bei einer besseren Durchlässigkeit des Systems viele Krankenhäuser überflüssig werden, zeigt aus seiner Sicht der nördliche Nachbar Dänemark, wo es im ganzen Land mittlerweile nur noch 18 große sogenannte Superkrankenhäuser gibt, in denen die stationäre Behandlung zentralisiert wird. „Die haben sich getraut, das System anzupacken. Wir tun uns damit schwer, obwohl es hier auch dringend nötig wäre.“ Doch auch im ambulanten Bereich sieht Dr. Heinrich Potenzial für zentralere Einheiten – etwa in Form von Gruppenpraxen, in denen mehrere Fachrichtungen zusammenarbeiten und Patientinnen sowie Patienten bei Bedarf rasch an eine Kollegin oder einen Kollegen weitergeleitet werden können. „In solchen Einrichtungen macht die Arbeit auch mehr Spaß, und sie sind ein Modell, das der ärztliche Nachwuchs bevorzugt.“

    Die Volkswirtin Dr. Sandra Zimmermann wiederum lenkte die Aufmerksamkeit auf den in ärztlichen Kreisen in der Regel wenig goutierten Begriff der Gesundheitswirtschaft. Man sollte diese besser als einen relevanten Teil unserer Wirtschaft sowie als Motor für Wachstum und Beschäftigung betrachten. „Auch die WHO setzt sich dafür ein, Gesundheitsausgaben nicht nur als Kostenfaktor zu betrachten“, betonte sie. Für die Arbeitgebervertreterin Dr. Wagenmann ist es dennoch wichtig, Effizienzreserven zu heben, damit unser Gesundheitswesen auch langfristig finanzierbar bleibt. Sie sagte aber auch: „In diesen Zeiten des Fachkräftemangels brauchen wir unsere Beschäftigten sehr. Die Prosperität dieses Landes beruht auf guter Arbeit, dafür brauchen wir ‚all hands on deck* – und dafür müssen unsere Beschäftigten gesund sein!“

    Übrigens: Unter https://fachaerztetag.spifa.de/highlights/ kann man sich alle Diskussionsrunden des SpiFa-Fachärztetages 2023 noch einmal anschauen.

    Kontakt

    Anruf E-Mail

    Vorbestellen

    Service

    Social Media

    LinkedIn

    Öffnungszeiten

    Webseite übersetzen

    Wählen Sie die jeweilige Flagge aus, um die Seite zu übersetzen.

    Klicken Sie auf den unteren Button, um das Übersetzungs-Tool zu laden.

    Mit dem Laden der Inhalte akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung vom Google Übersetzer.
    Mehr erfahren

    Inhalt laden

    Hinweis: Die Übersetzungen sind maschinelle Übersetzungen
    und daher nicht zu 100 Prozent perfekt.

    Empfehlen Sie uns weiter
    Teilen Sie unsere Internetseite mit Ihren Freunden.
    Webseite übersetzen

    Wählen Sie die jeweilige Flagge an, um die Seite zu übersetzen.

    Klicken Sie auf den unteren Button, um das Übersetzungs-Tool zu laden.

    Mit dem Laden der Inhalte akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung vom Google Übersetzer.
    Mehr erfahren

    Inhalt laden

    Hinweis: Die Übersetzungen sind maschinelle Übersetzungen
    und daher nicht zu 100 Prozent perfekt.