Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 20.09.2023 – L 7 KA 29/20

    Ein „Guten Tag“ mit Handschlag oder Krankschreibungen am Fließband entsprechen nicht den Anforderungen an einen Arzt-Patienten-Kontakt und berechtigen deshalb auch nicht zur Abrechnung der Versichertenpauschale.

    Mit dieser Entscheidung wurde die Klage eines Berliner Allgemeinarztes endgültig abgewiesen. Der hatte keine MFA beschäftigt, sondern stand selbst am Tresen. Dort stellte er überwiegend Verordnungen, Arbeitsbescheinigungen und Schulunfähigkeitsatteste aus. Die Patienten kamen ohne Termin und stellten sich in eine Warteschlage, die teilweise bis zum Hausflur reichte.

    Wegen Auffälligkeiten bei der Plausibilitätsprüfung hatte die KV die Abrechnungen I/2012 bis III/2013 sowie IV/2014 bis III/2015 überprüft. In diesem Zeitraum rechnete der Arzt in Tages- und Quartalsprofilen bis zu 67.000 Minuten für ein Quartal ab, was 86 Stunden pro Woche entspricht. Selbst mit der von dem Arzt angegebenen Samstagssprechstunde war dieses ein auffälliges Pensum.

    Die KV Berlin hatte vorgerechnet, dass er die Klientel in einem Takt von 2,5 Minuten pro Patient abgefertigt haben müsse. Dem entsprechend dürftig sei auch die Dokumentation ausgefallen. Abgerechnet habe der Arzt überwiegend Versicherten- und Chronikerpauschalen. Hier ging die KV von einer nicht ordnungsgemäßen Leistungserbringung aus und hatte in den gesamten 11 Quartalen die Abrechnung auf den Fachgruppendurchschnitt gekürzt und Honorar in Höhe von 336.269,00 € zurückgefordert. Sie verdeutlichte, dass allein die Begrüßung des Patienten, die Frage nach dem Befinden oder die kurze Frage, ob sich an der Medikamenteneinnahme etwas geändert habe, nicht zur Abrechnung der Versichertenpauschale berechtigte.

    Vor dem Sozialgericht Berlin konnte sich der Kläger noch durchsetzen, die Rückforderungsbescheide wurden aufgehoben. Das Gericht stellte noch fest, dass allein ein Überschreiten der Quartalsprofilzeiten lediglich einen Indizienbeweis für eine auffällige Abrechnung darstelle, jedoch keinen Nachweis einer unrichtigen Leistungserbringung erbringe. Die hohe Quartalsprofilzeit könne deshalb noch nicht für eine unsachgemäße Abrechnung als Grundlage dienen. Die Organisation in der klägerischen Praxis begründe die hohe Zahl und lasse diese als plausibel erscheinen. Zwar entspreche die gewählte Organisationsform nicht der gängigen Hausarztpraxis, die Abrechnung der Versichertenpauschale werde dadurch jedoch nicht ausgeschlossen.

    Dieses Urteil wurde vom LSG nunmehr kassiert.

    Für die Abrechnung der Versichertenpauschale sei laut EBM zwar nur ein einmaliger persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt erforderlich. Hier sei festzustellen, dass der Chronikerzuschlag nach GOP 03212 EBM nicht ordnungsgemäß abgerechnet worden sei. Der Zuschlag könne bei chronisch Kranken erst beim Vorliegen von zwei Arzt-Patienten-Kontakten im Quartal abgerechnet werden, was hier nicht der Fall gewesen sei. Schon deshalb seien die Sammelerklärungen insgesamt unrichtig. Ihnen könne keine Funktion der Garantie für eine ordnungsgemäße Abrechnung mehr entnommen werden. Soweit auch nur eine unrichtige Angabe über erbrachte Leistungen darin enthalten sei, sei die Abrechnung insgesamt rechtswidrig. Daraus folge, dass eine KV nicht gehalten sei, in allen Fällen, in denen sie eine unrichtige Abrechnung vermute, den Nachweis zur Unrichtigkeit zu führen.

    Auch erfordere die Versichertenpauschale zwar nur einen einmaligen Arzt-Patienten-Kontakt. Nach Nr. 4.1 könnten die Versichertenpauschalen nur abgerechnet werden, wenn es sich neben dem persönlichen Kontakt auch um einen kurativ-ambulanten Kontakt im Behandlungsfall gehandelt habe. Unter einer kurativen Behandlung verstehe man die Feststellungen der Kennung einer Erkrankung, deren Heilung oder Linderung. Daraus folge, dass die hausärztliche Versichertenpauschale nur bei einem persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt abgerechnet werden könne, der auf die Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens einer Erkrankung ausgerichtet sei und auf die Ergreifung von Behandlungsmaßnahmen abziele, um die Erkrankung zu heilen oder zu lindern. Hier war der Senat nicht davon überzeugt, dass ein solcher Kontakt der Abrechnung zugrunde gelegen habe. Dieses erscheine bereits in Anbetracht der Anzahl der an einzelnen Behandlungstagen abgerechneten Patienten zweifelhaft. Die von dem Arzt bereits am Empfangstresen getätigten Angaben stellten zur Überzeugung des Senats keine kurativ-ambulante Behandlung dar. Vielmehr habe der Arzt nach eigenem Vorbringen allein die Angaben des Patienten zu den Beschwerden in medizinische Fachtermini übersetzt, ohne sich von dem Vorliegen der Symptome überzeugt zu haben. Zwar verkenne der Senat nicht, dass in einer gut strukturierten Praxis einfache Erkältungskrankheiten innerhalb kürzester Zeit befundet und erkannt werden könnten. Eine solche gut strukturierte Praxis habe hier aber nicht vorgelegen. Gerade die Form der Organisation ohne medizinisches Fach- und sonstiges Personal spreche gegen die Behauptung, dass in allen abgerechneten Fällen eine kurativ-ambulante Behandlung vorgenommen worden sei. Denn es sei nicht nur zu befragen und zu untersuchen, sondern zugleich auch zu dokumentieren, die Rezepte und Atteste auszustellen, Drucker bedienen und Belege auszuhändigen. Insoweit habe so gut wie keine Zeit für ärztliche Untersuchungen zur Verfügung gestanden. Angesichts der Vielzahl der Tage, an denen über 100 Versichertenpauschalen abgerechnet wurden, könne auch das Argument eines leistungsfähigen Arztes nicht durchdringen.

    Mangels ausreichender Dokumentation sei ein solcher Nachweis einer kurativ-ambulanten Behandlung nicht zu führen.

    Zwar sei dem erstinstanzlichen Gericht Recht zu geben, dass die Dokumentation kein obligater Leistungsinhalt der Versichertenpauschale sei. Jedoch definiere der EBM in Punkt 2.1 die Vollständigkeit der Leistungserbringung bereits selbst mit der Erbringung der obligaten Leistungsinhalte, den Dokumentationspflichten sowie der Dokumentation der erbrachten Leistungsinhalte. Es liege somit in der Sphäre des Vertragsarztes, die vollständige Leistungserbringung und Richtigkeit der Honorarabrechnung nachzuweisen. Der Nachweis könne nur durch eine ausreichende Dokumentation erbracht werden. Könne eine solche Dokumentation nicht vorgelegt werden, gelten die Leistungen als nicht erbracht (vergleiche SG München vom 04.05.2023 – S 38 KA 180/20; Bayerisches LSG vom 07.07.2004 – L 3 KA 510/02). Insgesamt sei deshalb die sachlich-rechnerische Richtigstellung nicht zu beanstanden.

    Kontakt: Jörg Hohmann

    Kontakt

    Anruf E-Mail

    Vorbestellen

    Service

    Social Media

    LinkedIn

    Öffnungszeiten

    Webseite übersetzen

    Wählen Sie die jeweilige Flagge aus, um die Seite zu übersetzen.

    Klicken Sie auf den unteren Button, um das Übersetzungs-Tool zu laden.

    Mit dem Laden der Inhalte akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung vom Google Übersetzer.
    Mehr erfahren

    Inhalt laden

    Hinweis: Die Übersetzungen sind maschinelle Übersetzungen
    und daher nicht zu 100 Prozent perfekt.

    Empfehlen Sie uns weiter
    Teilen Sie unsere Internetseite mit Ihren Freunden.
    Webseite übersetzen

    Wählen Sie die jeweilige Flagge an, um die Seite zu übersetzen.

    Klicken Sie auf den unteren Button, um das Übersetzungs-Tool zu laden.

    Mit dem Laden der Inhalte akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung vom Google Übersetzer.
    Mehr erfahren

    Inhalt laden

    Hinweis: Die Übersetzungen sind maschinelle Übersetzungen
    und daher nicht zu 100 Prozent perfekt.