Durch die steigenden Temperaturen infolge des Klimawandels werden Gefäßerkrankungen in Zukunft wahrscheinlich häufiger auftreten und einen schwereren Verlauf nehmen. Besonders älteren Gefäßpatient*innen drohen infolgedessen Beeinträchtigungen des Bewusstseins, Herzrhythmusstörungen, Krämpfe oder ein Kollaps. Darauf hat die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin e. V. (DGG) im Rahmen ihrer 39. Jahrestagung hingewiesen, die vom 27.–30.9.2023 in Osnabrück stattfindet und unter dem Motto „Holistic Vascular Care“ steht.

    Laut WHO ist der Klimawandel eine der größten Gesundheitsbedrohungen für die Menschheit. Die steigenden Temperaturen und veränderten Wetterbedingungen haben laut Privatdozent Dr. Rolf Weidenhagen direkte und indirekte Effekte auf die Gesundheit, insbesondere auf vulnerable Patient*innengruppen. Der Chefarzt der Klinik für Gefäßchirurgie am Klinikum Neuperlach München und Gründer der DGG-Kommission für Nachhaltigkeit erläuterte: „Die Hitze beeinträchtigt besonders unsere Gefäßpatient*innen, denn Temperaturschwankungen und eine Verschlechterung der Luftqualität sind mit einer erhöhten kardiovaskulären Erkrankungsschwere und Sterblichkeit verbunden.“ Zudem hätten viele dieser Patient*innen bereits Vorerkrankungen, die ihre Wärmeregulation beeinträchtigen. Medikamente, geringere Mobilität und fortgeschrittenes Alter könnten diese Effekte noch verstärken. Die Folgen seien oft schwerwiegend und reichten von Herzrhythmusstörungen bis hin zu Bewusstseinseinschränkungen und Kollaps. Zudem würden Gefäß- und Bypassverschlüsse bei Betroffenen wahrscheinlicher.

    Angesichts dieser Herausforderungen sieht die Fachgesellschaft jetzt vor allem die Verantwortlichen der geplanten Krankenhausreform in der Verantwortung, die Versorgungsstrukturen anzupassen. „Die Reform bietet eine Chance, unsere medizinische Infrastruktur so zu gestalten, dass sie den Anforderungen des Klimawandels und den daraus resultierenden gesundheitlichen Risiken gerecht wird“, sagte Weidenhagen. Hitzeschutzpläne müssten auch konkrete Handlungsempfehlungen enthalten. Dazu zählten das sichere Erkennen von Risikopatient*innen, Überwachung von Trinkmengen und kontrollierte Flüssigkeitszufuhr, Anpassung der Medikation, Schaffung von Abkühlmöglichkeiten und die Aufklärung von Patient*innen und Angehörigen über die Risiken der Hitze. Die meisten Kliniken und Praxen müssten sich hierauf erst noch vorbereiten und beispielsweise bauliche Maßnahmen treffen.

    Als eine wichtige Stellschraube in der Prophylaxe nannte er aber auch die Ernährung: „Eine Diät, die reich an Zucker, Fett, Fleisch und industriell verarbeiteten Lebensmitteln ist, schädigt die Gefäße und trägt gleichzeitig erheblich zur globalen Klimakrise bei“, sagte der Gefäßspezialist. Im Gegensatz dazu verbinde die „Planetary Health Diet“ der EAT-Lancet-Kommission individuelle Gesundheit mit Umwelt- und Klimaschutz. Sie empfiehlt eine pflanzenbasierte Ernährung, ergänzt durch Fisch, Fleisch und Milchprodukte, und fördert gleichzeitig die Gefäßgesundheit. „Es ist eine gängige Herausforderung, Ernährungsempfehlungen umzusetzen. Aber die Möglichkeit, durch bewusste Ernährungsentscheidungen direkt gegen den Klimawandel vorzugehen, könnte eine zusätzliche Motivation bieten“, betonte Dr. Weidenhagen.

    Neben der individuellen Ernährung trage auch das sonstige Verhalten von Patient*innen und Personal in medizinischen Einrichtungen zur negativen CO2-Bilanz vieler Kliniken bei. Darunter falle etwa die Wahl des Verkehrsmittels oder die Nutzung von telemedizinischen Methoden. So habe man in Einrichtungen mit einem Videosprechstunden-Angebot die Anzahl der Autofahrten deutlich reduzieren können. Auch die Nutzung von wiederverwendbaren Produkten in der Gefäßchirurgie wirke sich positiv auf den ökologischen Fußabdruck aus.

    In Zusammenarbeit mit anderen wissenschaftlichen Einrichtungen und Verbänden versucht die DGG, Strategien zu entwickeln, die sowohl den Umweltauswirkungen entgegenwirken als auch hohe Gesundheitsstandards gewährleisten. „Die Schlüsselherausforderungen liegen dabei in der Anpassung an klimatische Veränderungen, der Reduzierung von CO2-Emissionen und dem Aufbau nachhaltigerer Klinikprozesse“, sagte Weidenhagen.

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