Beschluss des OVG Lüneburg vom 28.09.2023 – 14 ME 75/23
Bürger haben keinen Anspruch auf die Sicherstellung der medizinischen Versorgung in einer bestimmten Art und Weise oder Änderungen der bestehenden Verhältnisse, sie müssen die Umwandlung einer Klinik in ein Gesundheitszentrum hinnehmen.
Mit diesem Entscheid wurde die Klage eines Bürgers endgültig abgewiesen, der befürchtete, dass die Sicherstellung der medizinischen Versorgung nicht gewährleistet bleibt, wenn eine Klinik in ein MVZ umgewandelt wird. Im vorliegenden Fall ging es um die Umwandlung der UBBO- Emmius.- Klinik in ein regionales Gesundheitszentrum. Hier hatte der klagende Bürger versucht, dieses vorhaben unter Hinweis auf das Grundgesetz und die Regelung zur Krankenhausfinanzierung aufzuhalten, nach Auffassung des Senats können Bürger jedoch weder aus dem Grundgesetz noch aus dem niedersächsischen Krankenhausgesetz subjektive Rechte auf einer Sicherstellung der medizinischen Versorgung in einer bestimmten Art und Weise für sich herleiten.
Die bisherige Klinik war unter dem Dach der Trägergesellschaft Kliniken Aurich- Emden- Norden mbH strukturiert, Gesellschafter sind die Stadt Emden und der Landkreis Aurich. Der Verbund erwirtschaftete nach eigenen Angaben 2021 ein Minus von € 12,1 Mio., davon € 5,2 Mio. bei der Klinik Norden und € 6,1 Mio. beim Klinikum Emden. Der Aufsichtsrat hatte daher beschlossen, das Krankenhaus im Norden ab Juli 2023 in ein Gesundheitszentrum umzuwandeln.
Dagegen wollte der Bürger mit einem Eilantrag vorgehen, denn das VG-Oldenburg am 13.06.2023 – 7 B 1558/23 abgewiesen hatte. Das Gericht war der Auffassung, dass die mit den Schutzpflichten aus Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 GG verbundenen Anspruch im Hinblick auf die den zuständigen Stellen einzuräumen der bei der Gestaltungfreiheit bei der Erfüllung der Schutzpflichten nur darauf gerichtet sei, dass die öffentliche Gewaltvorkehrungen zum Schutz des Grundrechts treffe, die nicht völlig Ungeeignet oder völlig unzugänglich seien. Diese Entscheidung wurde durch den Senat bestätigt. Zwar verbiete es das Grundgesetz, dass sich der Staat „Schützend und Fördernd vor die Rechtsgüter des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit“ Stelle dabei haben die zuständigen öffentlichen Stellen aber eine weite Gestaltungsfreiheit. Einen Anspruch auf bestmöglichen Schutz gäbe es nicht. Art und Umfang dieses Schutzes seien eine politische Entscheidung wie die stattlichen Organe ihre Verpflichtung zu einem effektiven Schutz des Lebens erfüllen, sei von ihnen grundsätzlich in eigener Verantwortung zu entscheiden, dass diese Schwelle bei Umwallung eines Krankenhauses in ein MVZ erreicht ist, konnte der Senat nicht feststellen. Vielmehr werde weiterhin eine Notfall- und Intensivmedizinische Versorgung sichergestellt. Bereits seit Jahren könnten dringliche lebensbedrohliche Notfälle wie Herzinfarkte, Schlaganfälle und Polytraumen nicht an dem jetzt streitigen Standort behandelt werden und wurden folgerichtig vom Rettungsdienst folgerichtig in ein anderes geeignetes Krankenhaus transportiert. Eine Verschlechterung der Akutversorgung sei durch die Modifikation des Angebots nicht eingetreten.
Die übrige Notfallversorgung sei auch nach Umwandlung des medizinischen Versorgungsangebots gesichert: Am Standort befinde sich weiterhin eine bedarfsgerechte Notfallversorgung in den relevanten Zeitfenster. Soweit erforderlich könnten allgemein internistische Patienten auch über Nacht für einige Tage kurz stationär versorgt werden. Die Leistungen der palliativen Medizin und Schmerztherapie würden weiterhin in der mit 25 Betten ausgestatteten internistischen Kurzliegestationen angeboten. Zudem würden zwei zusätzliche intensiv Betten vorgehalten und eine zusätzliche normal Station mit einer Kapazität von 10 Betten etabliert. Zudem werde die Vorgabe, dass der Rettungsdienst in 95% aller Fälle innerhalb von 15 Minuten am Einsatz eintreffe, eingehalten. Damit liege in der summarischen Prüfung ein Verstoß gegen das Verfassungsrecht nicht vor.
Dieser Entscheid kann aufgezeigt werden, wie eine potenzielle Drei nach Inkrafttreten der Krankenhausreform ab dem Jahr 2025 bei Umwandlung von kleineren regionalen Krankenhäusern in Sektor übergreifende Versorgungseinrichtungen entschieden werden könnte. Verfassungsrechtlich lässt sich aus der Daseinsvorsorge kein Anspruch auf unmittelbare räumliche nähe eines Krankenhauses herleiten. Aufgrund des dennoch bestehenden Bedarfs dürfte sich in solchen Fällen das Arbeitsaufkommen für bislang ambulant tätige Ärzte erhöhen. Diese Aussicht sind insoweit interessant, als das die Behandlung der Patienten dann nicht mehr Statusabhängig (als Vertragsarzt), sondern Diagnose bezogen (ambulant- stationäre Versorgung) erfolgt, was den Weg eines zusätzlichen Vergütungsmodells eröffnet. In diesen Fällen erscheint eine enge Verzahnung von ambulanten und stationären Leistungserbringern im Sinne einer einheitlichen Versorgung sinnvoll, um Patienten wohnortnah zu Versorgung.
Hierzu wird es mutmaßlich unterschiedlichste Kooperationsmodelle geben, von Kooperationen (Beauftragung) bis hin zu Anstellung zu beachten sind dabei auch steuerliche Aspekte, soweit weitgehend ungeklärt ist, ob sich staatlich subventionierte Einrichtung auch für die ambulante Versorgung auch durch selbstständig tätige ambulante Leistungserbringer genutzt werden können. Unabhängig davon erscheint ein solches Kooperatives vorgehen als einzige Möglichkeit, denn Ärzte – und Fachkräftemangel auf beiden Seiten zu überwinden und zugleich die Versorgung aufrechtzuerhalten.
Kontakt: Jörg Hohmann
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