Blankoverordnung von Heilmittelrezepten für Physiotherapeuten wird zunächst im eingeschränkten Umfang eingeführt, zugleich erhalten Physiotherapeuten neue diagnostische Abrechnungsziffern und eine Aufwandspauschale.
Nachdem im April 2024 bereits die Delegation der konkreten Therapieentscheidungen bei Heilmitteln an Ergotherapeuten erfolgte, schloss sich im Juli 2024 die Blankoverordnung für häusliche Krankenpflege an. Nun wurde „Vertrag zur Heilmittelversorgung mit erweiterter Verordnungsverantwortung“ (sogenannte Blankoverordnungen) für Physiotherapeuten zum 01.11.2024 beschlossen. Die gesetzliche Grundlage dafür folgte aus dem Terminservice- und Versorgungsgesetz.
Nach entsprechender ärztlicher Verordnung können Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten künftig selbst über die Auswahl und die Dauer der Therapie sowie die Frequenz der Behandlungseinheiten bestimmen. Für Ärzte positiv und für Physiotherapeuten neu: Die Verantwortung für die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung liegt bei den Physiotherapeuten. Für Chirurgen sinkt damit die Regressgefahr.
Zunächst ist die Blankoverordnung bei Physiotherapeuten nur für Erkrankungen im Schultergelenk vorgesehen, dazu wurde ein Katalog mit über 100 ICD-Indikationen beschlossen (Anlage). Um mengen Ausweitung zu begrenzen, signalisiert dabei ein „Ampelsystem“ Leistungserbringern Indikationsbezogen, wie viel Behandlungseinheiten aus derzeitiger Sicht der Vertragspartner ausreichend sein sollen (Grün) und ab wann sie dieses Quantum möglicherweise unwirtschaftlich Überschreiten (Rot). Behandlungseinheiten innerhalb dieser roten Phase werden mit einem Abschlag von 9,0 % vergütet.
Welche Angaben auf der Blankoverordnung einzutragen sind, informiert die Anlage 3a des Rahmenvertrages (Anlage). Nach zulässigen Schultergelenksindikationen muss jedoch nicht zwingend eine Physiotherapie erfolgen, auch nicht, wenn mit erweiterter Versorgungsverantwortung zu Gunsten Heilmittelerbringer verordnet wurde. Zudem können bei wichtigen medizinischen Gründen Chirurgen auch weiterhin wie gewohnt die Therapie selbst steuern.
Zudem erhalten Physiotherapeuten erstmals auch zwei diagnostische Abrechnungspositionen, die Physiotherapeutische Diagnostik vor Therapie beginn wird gemäß dieser Vergütungsvereinbarung (Anlage) mit 34,34 € honoriert, für die Bedarfsdiagnostik zur Überprüfung der bisher erreichten Therapieziele kann 25,76 € abgerechnet werden.
Zudem halten Physiotherapeuten mit der versorgungsbezogenen Pauschale eine Dritte neue Abrechnungsposition, für die 55,- € berechnet werden kann. Damit wird der besondere Aufwand im Zusammenhang mit der Blankoverordnung honoriert. Im Übrigen werden die physiotherapeutischen Leistungen entsprechend wie in der Regelversorgung honoriert.
Nach Berechnung des GKV- Spitzenverbandes sollen künftig 6,5 % aller Physiotherapeuten über Blankoverordnungen erfolgen.
Die Physiotherapieverbände sehen die gesetzliche neue Regelung skeptisch. Die größten Risiken werden dabei in der wirtschaftlichen Verantwortung vermutet. Ärzte können nunmehr im Indikationsbereich Schulter unbegrenzt Blankoverordnungen ausstellen, das wirtschaftliche Risiko wird dabei auf die Physiotherapeuten abgewälzt. Stattdessen wünscht der Spitzenverband der Heilmittelverbände (SHV) den Direktzugang der Patienten zur Heilmittelversorgung, also direkte Übertragung der Ausübung der Heilkunde. Für die neuen und modernen Berufsbilder müssten entsprechende erweiterte Kompetenzen geschaffen werden, die auch einen direkten Zugang ermöglichen.
Kontakt: Jörg Hohmann
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