Urteil des BGH vom 13.06.2024 – III ZR 279/23
Die GOÄ ist auch bei der Durchführung ambulanter Operationen in einer Privatklinik anzuwenden. Vereinbarungen über Pauschalhonorare sind unwirksam. Bereits von Patienten geleistete Zahlungen können zurückgefordert werden.
Mit dieser erneuten Entscheidung führte der Senat seine Rechtsprechung aus dem Urteil vom 04.04.2024 – III ZR 38/23 fort und stellte auch für den Geltungsbereich einer Privatklinik fest, dass Behandlungsverträge für ambulante Leistungen über ein Pauschalhonorar nach § 134 BGB unwirksam sind und keinen Rechtsgrund für eine Honorarforderung darstellen. Damit konnte sich im Wesentlichen eine Patientin durchsetzen, die an einem Lipödem litt und in einer konzessionierten Privatklinik, welche sich auf operative Lymphologie spezialisiert hat, eine medizinisch indizierte Liposuktion an Armen und Beinen ausführen ließ. Das Honorar für diese ambulanten Leistungen sollte insgesamt 15.900,00 € betragen. Nach den Eingriffen hatte die Patientin jeweils eine Nacht in dem mit der Privatklinik kooperierenden Krankenhaus verbracht, mit diesem Krankenhaus wurden Verträge über „Unterkunft und Pflege nach ambulantem Eingriff“ geschlossen. Die Patientin hatte auch Kompressionswäsche und Physiotherapien erhalten.
Der BGH führte aus, dass für die Fettabsaugung bei krankhafter Fettverteilungsstörung die Nummer 2454 der Anlage GOÄ unmittelbar anzuwenden sei. Eine analoge Anwendung scheide aus, zudem könne die Gebühr auch nicht mehrfach in Ansatz gebracht werden.
Grundsätzlich findet die GOÄ auch bei Behandlungsverträgen mit juristischen Personen wie zum Beispiel Krankenhausträgern oder MVZ Anwendung, soweit ambulante Leistungen erbracht würden. Nach § 1 Absatz 1 GOÄ ist diese für alle beruflichen Leistungen der Ärzte anwendbar, ohne dass auf Tätigkeiten im freien Beruf oder im Anstellungsverhältnis differenziert würde. Der Sinn und Zweck bestehe darin, einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den Leistungserbringern und den zur Vergütung Verpflichteten herbeizuführen. Dieses gelte unabhängig davon, ob ein Arzt oder eine juristische Person Vertragspartner geworden ist. Vorliegend habe es sich nicht um eine stationäre Krankenhausbehandlung gehandelt, für die ein anderes Preisrecht gelten würde. Die vorgenommenen Liposuktionen seien unstreitig ambulant erbracht. Die ambulanten Leistungen würden auch nicht deshalb zu einer stationären Leistung, weil die Patientin nach jedem Eingriff eine Nacht in dem kooperierenden Krankenhaus verbracht habe. Diese Aufenthalte der Patientin seien medizinisch nicht notwendig gewesen und sollten auch keine stationäre Krankenhausaufnahme, sondern lediglich eine Art Hotelleistung darstellen.
Soweit die Klinik die weiteren Kosten wie manuelle Lymphdrainage und die zur Verfügungstellung von Kompressionswäsche geleistet habe, ändere nichts an der Anwendbarkeit der GOÄ für die ärztlichen Leistungen, denn das „Leistungspaket“ rücke die ambulante Behandlung nicht in die Nähe eines stationären Krankenhausaufenthaltes.
Der Senat spracht der Klinik nur einen Anspruch auf je eine Gebühr nach Nr. 2454 GOÄ je Extremitätenregion zu (Beine innen, Beine außen, Arme), mithin also nur sechs statt der geforderten 44 Gebühren. Nach Auffassung des Senats finde die Nr. 2454 GOÄ unmittelbar und nicht nur analog Anwendung, eine Mehrfachberechnung scheide demnach aus. Eine Mehrfachberechnung komme nur dann in Betracht, wenn die Gebühr nur einen Teil der tatsächlich erbrachten Leistungen abdeckt. Ein solcher lag hier nicht vor. Eine auf Untergliederung von Armen und Beinen auf verschiedene Ariale bezogene mehrfache Abrechnung verbiete sich daher. Soweit durch bestimmte Einzelschritte die Schwierigkeit oder der Zeitaufwand der Behandlung steigt, verbleibe lediglich die Möglichkeit einer Gebührenvereinbarung nach § 2 Absatz 1 GOÄ.
Leistungen der manuellen Lymphdrainage konnten jedoch zu Recht abgerechnet werden, zumal dem Physiotherapeuten ein Aufwendungsersatzanspruch zusteht. Zudem konnte auch die zur Verfügung gestellte Kompressionswäsche abgerechnet werden, die Abrechnung für diese Leistungen hat dann gesondert zur ärztlichen Leistung zu erfolgen.
Im Ergebnis sind demnach ambulante ärztliche Leistungen auch dann über die GOÄ abzurechnen, wenn diese in einer Privatklinik oder in einer MVZ-GmbH erfolgen. Die Entscheidung hat aber auch in Bezug auf die zunehmende Anzahl operativer Fettabsaugungen Bedeutung. Hier ist zu beachten, dass die Mehrfachabrechnung der GOÄ 2454 mit einem Wert von 123,87 € (2,3fach) je Hautareal erlaubt ist. Soweit für die Fettabsaugung mehr abgerechnet werden soll als eine Nr. 2454-Gebühr je Extremität, so muss
– die besondere Schwierigkeit oder der besondere Zeitaufwand in der Abrechnung einzelfallbezogen dargelegt werden, so dass die Gebühr nach § 5 Absatz 2 GOÄ ausnahmsweise gesteigert werden kann oder
– mit dem Patienten muss eine höhere Gebühr als der 2,3fache Satz entsprechend § 2 Absatz 1 GOÄ vereinbart werden.
Kontakt: Jörg Hohmann